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Kirchenmusik als nachhaltige Pädagogik und kulturelles Erbe – Ein Gastbeitrag von Frank Uwe Liefländer

Last updated on 19. Mai 2023

Häufig wird die Musik als die Königsdisziplin der Künste bezeichnet. Das liegt vor allem daran, dass sie unmittelbar ist, also nur im Moment erfahren werden kann. Obwohl das ein großer Nachteil den bildenden Künsten gegenüber ist, so ist die Kraft des Momentes ungeheuer stark. Gute und noble Musik verändert das Herz und den Verstand. Kirchliche Musik leistet darüber hinaus aber auch einen bildungspolitischen und theologischen Beitrag, der größer ist als heute allgemein vermutet wird. Ihre fundamentale gesellschaftspolitische Bedeutung liegt neben der musikalischen auch in einer ästhetischen, moralischen und kulturellen Wissensvermittlung. Ob Kantate oder Choral, das gemeinsame Musizieren fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Insbesondere in den heutigen unruhigen Zeiten sind das Werte, die nicht hoch genug gehandelt werden können.

Natürlich ist die abendländische Kirchenmusik mit dem christlichen Glauben nicht nur verbunden, sondern zementiert die fundamentalen Glaubensrealitäten in unseren Seelen. Sie wirkt aber immer auch über religiöse Grenzen hinaus. Gerade in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft kann durch die Musik ein alternativer Blick ermöglicht werden, der sowohl religionslosen als auch Anhänger anderer Glaubenssysteme den übergreifenden kulturellen und theologischen Wert der christlichen Musik nahebringen.

Kirchenmusik als generationsübergreifende Wertevermittlung

Künstlerische Entfaltung und Gottesdienst gehen Hand in Hand. Unsere spirituelle Musik darf auch als Angebot verstanden werden, sich mit einem Glauben auseinanderzusetzen, der möglicherweise fremd ist. Und dieses Angebot bleibt dabei völlig unverbindlich. Denn die Musik lässt sich auch ohne theoretischen Kontext genießen. Und auch die Vorstellungen von Moral und des gesellschaftlichen Zusammenlebens, welche das christliche Weltbild vertritt, sind nicht an eine Religionszugehörigkeit gebunden. Insbesondere die Rolle der Kirche in der ehemaligen DDR hat gezeigt, dass unserer religiösen Institution (z.B. der Thomanerchor in Leipzig) auch mit festen Werten in Verbindung steht, und unabhängig von einer religiösen Zugehörigkeit diese Werte vertreten und vermitteln kann. Nicht vergessen werden sollte auch der seelsorgerische Aspekt kirchlicher Musik: Sie tröstet und lehrt das Zuhören, eine Kunst, die heute manchmal zu verschwinden scheint.

Kirchenmusik vermittelt also neben der religiösen immer auch eine musikalische und ästhetische Bildung. Und da diese Form der Bildung heute wichtiger denn je ist, sollte auch unserer religiösen Musik ein entsprechender Stellenwert eingeräumt werden. Wer also Werte verinnerlicht hat abseits von kurzlebigen Trends muss den Wert der Kirchenmusik auch in der heutigen Zeit und unabhängig von konfessionellen Schranken anerkennen.

Über Frank Uwe Liefländer

Im Anschluss an ein Studium am Royal Conservatory of Music / Toronto bekleidete der gebürtige Göttinger eine Assistenzprofessur für Kirchenmusik an der St. Paul University Ottawa. Nach 35 Jahren Tätigkeit im Ausland ist der Dirigent und Kirchenmusiker Frank Uwe Liefländer 2018 in seine alte Heimat zurückgekehrt. Liefländer ist heute als hauptamtlicher Kirchenmusiker in der Diözese Augsburg tätig.

Frank Uwe Liefländer im Netz

 

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