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Über Alternativmedizin, Lebensratgeber, Kritik und Verlagskultur

Es gibt deutsche Buchverlage, die den meisten Literaturfreunden ein Begriff sein dürften: Die Namen Rowohlt, Goldmann oder Suhrkamp zum Beispiel verbindet man allgemein mit einem bestimmten Profil und Programm. Viele dieser großen Namen existieren seit Jahrzehnten und sind der Allgemeinheit ein Begriff. Daneben aber existiert eine Vielzahl von kleineren Verlagshäusern, die sich auf bestimmte Themen und ein spezielles Publikum ausgerichtet haben.

Darunter nehmen Ratgeber im Grenzbereich zwischen alternativer Medizin, Lebenshilfe und Esoterik einen großen Raum ein, auf den sich eine ganze Reihe von Verlagen spezialisiert hat. Offiziellen Angaben zufolge machen die Bereiche Gesundheit, Lebenshilfe und Spiritualität zusammen mehr als 40 Prozent der heutigen Ratgeberliteratur aus. Dabei spielen natürlich sehr viele unterschiedliche Themen eine Rolle: Psychologische Lebenshilfe gehört ebenso zum Programm wie Veröffentlichungen über alternative Heilmethoden oder spirituelle Lebensführung. Und auch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen sind ein großes Thema, dem sich die Verlage mehr oder weniger intensiv annehmen. Drei alternative Medienhäuser wurden näher betrachtet:

Ariston – Ratgeber und Lebenshilfe mit prominenten Namen

Ursprünglich 1964 in Genf gegründet, gehört der Ariston Verlag heute zu Bertelsmann und damit zur Verlagsgruppe Penguin Random House. In den Anfangsjahren auf esoterische Literatur spezialisiert, führte Ariston zu früherer Zeit auch die Bücher des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard im Programm. Ältere Veröffentlichungen behandeln zudem die Themen wie Orthomolekularmedizin, Hypnose und Astrologie. Heute dagegen hat man sich mit dem Programm aus über hundert Titeln vor allem auf populärwissenschaftliche Ratgeber spezialisiert.

Konkret besteht es aus Lebens- und Finanzratgebern, von denen manche die Grenze zur Esoterik zumindest streifen. Carsten Maschmeyer darf seine „Erfolgsformel“ ebenso bewerben wie der Karriereberater-Guru Reinhard Sprenger. Auch die Klitschko-Brüder sind mit gleich zwei Motivationsbüchern Teil des Programms.  Daneben finden sich Ratgeber bei unerfülltem Kinderwunsch, Bücher über seelische Gesundheit und Burnout, positives Denken

Auch findet sich etwa mit „Denke nach und werde reich“ von Napoleon Hill ein Klassiker der Neugeist-Bewegung im Programm, der sich offenkundig auch mehr als achtzig Jahre nach der Veröffentlichung noch verkauft. Tendenziell aber hat sich der Ariston-Verlag in den vergangenen Jahren weg von der Esoterik und hin zu populärwissenschaftlichen Ratgebern bewegt.

Allegria – Spirituelle Literatur im Fokus

Auch der Berliner Allegria Verlag gehört zu einer größeren Unternehmensgruppe: Als Teil von Ullstein konzentriert sich der erst 2004 gegründete Verlag auf Lebensratgeber und spirituelle Themen und möchte mit dem eigenen Programm „Lebenskunst und Lebensfreude“ vermitteln. Im Gegensatz zu Ariston liegt hier der Schwerpunkt auf Themen mit stärkerem spirituellem Bezug, wie Engel-Orakel, Karma-Coaching und Achtsamkeit.

Von den bekannteren Namen der Ratgeberliteratur ist die 1977 verstorbene Louise Hay sowie die für ihre Engelbücher bekannte US-Schriftstellerin Doreen Virtue im Programm vertreten. Reine Lebens- und Berufsratgeber existieren es zwar auch im Programm, bilden aber keinen Schwerpunkt. Die großen prominenten Namen, wie sie Random House im Programm hat, fehlen hier allerdings.

Verglichen mit Ariston hat das Programm bei Allegria einen stärkeren Hang zur Esoterik und führt neben der Literatur auch Orakel und Tarotkarten im Angebot. Auch wenn nicht jeder Leser mit diesem Themenschwerpunkt etwas anfangen können dürfte, bedient Ullstein mit dem Allegria Verlag eine Nische, der offenkundig vielen Menschen etwas abgewinnen können.

Kopp Verlag – Alternatives Leben, Survival und Gesellschaftskritik

Im Gegensatz zu Ariston oder Allegria gehört der Kopp Verlag mit Sitz in Rottenburg keiner größeren Verlagsgruppe an. Das Mitte der 1990er Jahre gegründete Medienhaus hat sich dabei von Anfang an auf das Abbilden nonkonformer Thematiken spezialisiert und dabei im Lauf der Zeit mit dem einen oder anderen Tabu gebrochen. Das hauseigene Programm bedient in den Kategorien Medizin & Gesundheit sowie Lebenskunst ein breites Themenspektrum der alternativen Sachliteratur. Neben Grippe-Ratgebern, Naturheilkunde sowie Büchern über Mini-Farming und Selbstversorgung finden sich unter den alternativmedizinischen und esoterischen Themen auch zahlreiche Publikationen im Angebot, die sich mit den gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen von Corona beschäftigen. Dabei handelt es sich um ein Topic, das sowohl bei Ariston als auch Allegria nicht direkt behandelt wird. Beim Kopp Verlag dagegen bildet es im Online-Shop sogar eine eigene Kategorie. Die Veröffentlichung des Arztes Robert F. Kennedy Jr. zur Corona-Politik hat es dabei sogar auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft und dürfte zu den Bestsellern des Hauses gehören.

Mit unter anderem streitbaren Themen, welche offenkundig bei anderen Häusern nicht oder nur wenig beleuchtet werden, hat sich der Kopp Verlag seit seiner Gründung vor fast 30 Jahren eine Nische geschaffen, die häufig kritisiert wird. So gibt das Magazin Der Spiegel einerseits zu, dass sich auch seriöse Autoren im Sortiment finden, dennoch wird das Verlagsprogramm und seine Leser häufig der rechtskonservativen Alternativszene zugerechnet. Man muss davon ausgehen, dass die Leserschaft des Kopp Verlag allerdings deutlich diverser ist als das manche Reportagen vermuten lassen.

Fazit: Spezielles Programm für eine spezielle Leserschaft

Je weiter sich das Profil eines Verlages von der psychologischen Lebenshilfe in den Bereich von Spiritualität und Esoterik bewegt, desto skeptischer wird es von der Presse und den Lesern betrachtet. Heute wird der Grenzbereich zwischen Lebenshilfe, alternativer Medizin und Esoterik schnell mit antidemokratischen Tendenzen in Verbindung gebracht. Bei keinem der drei Verlage konnten Veröffentlichungen gefunden werden, welche diese These belegen würden.

Man darf die vielfältigen Themenspektren selbstredend kritisch beäugen, allerdings ist es ein Grundsatz der Meinungs- oder Pressefreiheit, dass Verlage auch über kontroverse Themen oder vermeintlich unwissenschaftliche Lösungen ihre Literatur publizieren dürfen. Denn solange keine nachweislichen Falschaussagen verbreitet werden, bewegen sich selbst abwegige oder unwahrscheinliche Thesen immer noch im Rahmen der Meinungsfreiheit. Ob es sich dabei um die Kraft der Engel, exotische Wundermittel oder eben um das Hinterfragen einer Corona-Politik handelt, sollte dabei zunächst keine Rolle spielen.

Die Frage, ob die vorgestellten Verlage für seriöse Inhalte stehen oder aber unwissenschaftliche Positionen verbreiten, kann an dieser Stelle nicht abschließend diskutiert werden. Fest steht, dass es für die Titel offenkundig eine Nachfrage gibt, welche von den Häusern bedient wird. Da also ein Markt für Esoterik und andere weniger konforme Inhalte existiert, müssen Verlage ihn auch bedienen dürfen.

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